Altes chinesisches Volkslied

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(Ursprünge)
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im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
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Wenn die Sonne aufgeht, dann stehe ich auf und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann begebe ich mich zur Ruhe,
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Wenn die Sonne aufgeht, dann erhebe ich mich und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann begebe ich mich zur Ruhe,
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
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"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
Die Alten sprachen:  
Die Alten sprachen:  
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"Wenn die Sonne aufgeht, dann arbeiten wir,
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"Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten,
wenn die Sonne untergeht, dann begeben wir uns zur Ruhe.  
wenn die Sonne untergeht, dann begeben wir uns zur Ruhe.  
Wir graben Brunnen und trinken,  
Wir graben Brunnen und trinken,  

Version vom 11:42, 18. Feb. 2017

Die Einwohner Shao Pings feiern singend ihren Retter, die Mongolen müssen machtlos zuschauen.

Das altes chinesische Volkslied wird in der Japan-China-Serie gesungen.

Die Bürger Shao Pings stimmen es zu Ehren von Li an, der von seinem Geld alle Frauen der Stadt aus der mongolischen Gefangenschaft freigekauft hat. Der subversive Text erregt das Missfallen des Statthalters Matscho, er vermutet einen Aufruhr dahinter. Doch da Li seine Soldaten zuvor mit Kumys besoffen gemacht hat, kann er nicht verhindern, dass das Lied gesungen wird.

Inhaltsverzeichnis

Text des Liedes

Wenn die Sonne aufgeht,
dann erheben wir uns.
Wenn die Sonne untergeht,
dann gehen wir zur Ruhe!
Wir graben Brunnen und trinken,
Wir pflügen Felder und essen,
Was kümmert uns die Macht des Herrschers?

Hintergründe

Direkte Quelle

Das Lied entnahm Walter Hackel, der damalige Autor des MOSAIK, dem Buch Kultur im alten China von Walter Böttger. Diesem Buch zufolge soll das Lied aus einem der ältesten Zeugnisse der chinesischen Literatur stammen, dem Schidjing (Shijing, Schi-King, "Buch der Lieder"). Dies ist eine - der Legende nach von Konfuzius redigierte - Liedersammlung, deren älteste Teile auf das 2. Jahrtausend v.u.Z. zurückgehen. Dies ist jedoch ein verbreiteter Irrtum - das Lied ist nicht im berühmten Shijing enthalten, sondern stammt aus einer anderen Liedersammlung.

Ursprünge

Erste Spuren des Liedes findet man im Wahren Buch vom südlichen Blütenland des Zhuangzi (Dschuang Dsi) und seiner Nachfolger. Dieses Werk fand seine heutige Textgestalt im 3. Jahrhundert u.Z. durch den Herausgeber Guo Xiang (253-312), soll aber auf deutlich frühere Texte zurückgehen. Im 28. Kapitel 讓王 Ràng Wáng ("Rücktritt von Königen") wird geschildert, wie der legendäre Kaiser Shùn der chinesischen Frühzeit (angebliche Regierungszeit 2233-2184 v.u.Z.) dem Einsiedler Shàn Juǎn die Herrschaft über das Reich anbot. Dieser lehnte jedoch mit folgender Begründung ab:

Cinesischer Text Übersetzung

余 立 於 宇 宙 之 中。
冬 日 衣 皮 毛,
夏 日 衣 葛 絺,
春 耕 種,形 足 以 勞 動,
秋 收 斂,身 足 以 休 息。
日 出 而 作,日 入 而 息,
逍 遙 於 天 地 之 間 而 心 意 自 得。
吾 何 以 天 下 為 哉?
悲 夫!子 之 不 知 余 也!

Ich bin eine Einheit inmitten von Raum und Zeit.
Im Winter trage ich Felle und Pelze,
im Sommer Graskleider und Leinen,
im Frühling pflüge und säe ich, meine Kraft gleicht der Ackererde;
im Herbst ernte ich, ich höre auf zu arbeiten und esse.
Wenn die Sonne aufgeht, dann erhebe ich mich und arbeite; wenn die Sonne untergeht, dann begebe ich mich zur Ruhe,
und so genieße ich mein Leben zwischen Himmel und Erde, und mein Geist ist zufrieden.
Was habe ich denn mit dem Reich zu tun?
Ach weh! Daß Ihr, Herr, mich nicht besser kennt!

Darauf verschwand der Einsiedler in den Bergen und ward nie mehr gesehen. Einige Passagen - vor allem die Zeilen 6 und 8 - erinnern hierbei an das im MOSAIK gesungene Lied. Die Bezeichnung für die weltliche Macht bzw. die Herrschaft über das Reich in Zeile 8 wird mit dem Konzept 天下 Tiānxià (wörtlich: "unterm Himmel") ausgedrückt.

Eine andere Fassung bietet das 帝王世紀 Dìwáng Shìjì von Huáng​fǔ Mì (215-282), eine Sammlung von genealogischen Aufzeichnungen zu Kaisern und Königen. Das Werk selbst ist nicht erhalten, sondern nur über Auszüge und Zitate bei späteren Autoren teilweise rekonstruiert. Für unsere Zwecke interessant ist hierbei eine Stelle, in der die idyllische Zeit unter dem Urkaiser Yáo (legendäre Regierungszeit 2353–2234 v.u.Z.) geschildert wird - dem direkten Vorgänger des oben erwähnten Kaisers Shùn. Diese lautet den diversen Gewährsmännern zufolge so:

Yìwén Lèijù (7. Jhd.) / in eckigen Klammern: Tàipíng Yùlǎn (10. Jhd.)
Chinesischer Text Übersetzung

有 五 十 老 人 擊 壤 於 道.
觀 者 歎 曰:
"大 哉 帝 之 德 也."
老 人 曰:
"吾 日 出 而 作,
日 入 而 息.
鑿 井 而 飲,
耕 田 而 食.
帝 何 力 於 我 哉?!"

Es gab 50 [oder 80] Alte, die am Weg das Jī-Rǎng-Spiel spielten.
Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend:
"Oh, groß ist die Tugend des Kaisers!"
Die Alten sprachen:
"Wenn die Sonne aufgeht, dann erheben wir uns und arbeiten,
wenn die Sonne untergeht, dann begeben wir uns zur Ruhe.
Wir graben Brunnen und trinken,
wir pflügen Felder und essen.
Welche Macht hat der Kaiser über uns?!"

Sehr ähnlich, wenn auch etwas kürzer, ist das Zitat in der großen Liedersammlung 樂府詩集 Yuèfǔ Shījí ("Musikamts-Lieder") von Guō Màoqiàn aus dem 12. Jahrhundert. Hier sind es 80 oder 90 alte Männer, die das Lied als Begleitung zum Jī-Rǎng-Spiel singen.

Huáng​fǔ Mì bietet eine ähnliche Geschichte wie im Dìwáng Shìjì in einem anderen seiner Werke, dem 高士傳 Gaoshi Zhuan ("Biographien hochstehender Edelmänner"). Dort schreibt er:

Rǎngfù lebte zur Zeit des Yao. [...] Rǎngfù war schon über 80 Jahre und spielte das Jī-Rǎng-Spiel auf dem Weg. Jemand, der es beobachtete, sprach seufzend [etc.]

Aus 50 oder 80 alten Männern ist hier also ein einzelner, 80 Jahre alter Mann geworden, der auch noch nach dem Jī-Rǎng-Spiel benannt ist (Rǎngfù bedeutet "Vater Rǎng"). Das Spiel besteht darin, einen in die Erde gesteckten Stock aus der Entfernung mit anderen Holzstöcken zu treffen. Jī Rǎng bedeutet "Schlag die Erde", und dementsprechend wird das Lied 擊壤歌 Jī Rǎng Gē genannt, also etwa "Schlag-die-Erde-Lied".

Wer auch immer in welcher Anzahl das Jī Rǎng Gē gesungen hat - indem es in der oben erwähnten Liedersammlung Yuèfǔ Shījí erschienen ist, fand es von hier aus große Bekanntheit und Verbreitung. Bei diesem Liederbuch handelt es sich um eine Zusammenstellung so genannter "Musikamts-Lieder", deren Form auf in der Han-Periode (206 v.u.Z. bis 220 u.Z.) vom kaiserlichen Musikamt gesammelte Volkslieder zurückgeht, auch wenn sie zum größeren Teil erst später entstanden sind. Vermutlich über das populäre Liederbuch 古謠諺 Gǔyáoyàn ("Alte Balladen und Sprichwörter") von Dù Wénlán aus dem Jahre 1861 gelangte das Jī Rǎng Gē schließlich in den Westen, wo es z.B. von Ezra Pound und Ernst Jünger aufgegriffen wurde - letzterer kannte es als Lied der chinesischen Alten beim Schlagholzspiel.

Seine Herkunft aus Werken wie dem Dìwáng Shìjì und dem Yuèfǔ Shījí scheint für das verbreitete Missverständnis verantwortlich zu sein, es stamme aus dem konfuzianischen Shījīng ("Buch der Lieder").

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Das Lied wird im folgenden Mosaikheft gesungen

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