Bearbeiten von Il Milione

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Unter dem Titel '''Il Milione''' ist die Reiseerzählung von [[Marco Polo]] bekannt. Alternative Titel sind ''Die Wunder der Welt'' und ''Die Beschreibung der Welt''. ''Il Milione'' ist ursprünglich ein Spottname gewesen und bezieht sich auf die unerhörten, phantastischen Erlebnisse, die Marco Polo in dem Buch schildert. Der ''Milione'' diente als mittelbare Vorlage für die [[Runkel-Serie]] des [[Mosaik von Hannes Hegen]]. Eine unmittelbare Nutzung des Werks (d.h. natürlich: einer Übersetzung ins Deutsche) ist möglich, aber schwer nachzuweisen. Sicher scheint, dass viele Motive des Werks über die Vermittlung der [[Marco-Polo-Romane]] von [[Willi Meinck]] ins MOSAIK gelangten.
Unter dem Titel '''Il Milione''' ist die Reiseerzählung von [[Marco Polo]] bekannt. Alternative Titel sind ''Die Wunder der Welt'' und ''Die Beschreibung der Welt''. ''Il Milione'' ist ursprünglich ein Spottname gewesen und bezieht sich auf die unerhörten, phantastischen Erlebnisse, die Marco Polo in dem Buch schildert. Der ''Milione'' diente als mittelbare Vorlage für die [[Runkel-Serie]] des [[Mosaik von Hannes Hegen]]. Eine unmittelbare Nutzung des Werks (d.h. natürlich: einer Übersetzung ins Deutsche) ist möglich, aber schwer nachzuweisen. Sicher scheint, dass viele Motive des Werks über die Vermittlung der [[Marco-Polo-Romane]] von [[Willi Meinck]] ins MOSAIK gelangten.
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== Das Werk ==
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== Entstehung und Überlieferung ==
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=== Entstehung und Überlieferung ===
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Im Jahre 1298, drei Jahre nach seiner Rückkehr aus dem [[Orient]], geriet Marco Polo in [[Genua|genuesische]] Gefangenschaft. In der Zelle diktierte er seinem Mithäftling Rustichello (oder Rusticiano) da Pisa seine Erlebnisse und Erkenntnisse, die dieser in alt[[französ]]ischer Sprache niederschrieb. Diese Fassung wurde im Laufe der Zeit mehrfach abgeschrieben, übersetzt und bearbeitet, ist heute aber leider verloren. Noch zu Lebzeiten von Marco Polo erschien so eine erste lateinische Ausgabe (das so genannte Zelada-Manuskript), eventuell mit seiner Mitarbeit. Ebenfalls sehr früh ist eine franko-italienische Handschrift. Eine weitere lateinische Version von Francesco Pipino aus dem 14. Jahrhundert, die stark klerikalen Einschlag verrät und 1485 erstmals gedruckt wurde, nutzte zum Beispiel [[Christoph Kolumbus]] als Reiselektüre. Die einzelnen Fassungen des ''Milione'' unterscheiden sich teilweise stark; häufig treten Kürzungen, Zusätze, wertende Kommentare, Missverständnisse, verschriebene Namen usw. auf.
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Im Jahre 1298, drei Jahre nach seiner Rückkehr aus dem [[Orient]], geriet Marco Polo in [[Genua|genuesische]] Gefangenschaft. In der Zelle diktierte er seinem Mithäftling Rustichello (oder Rusticiano) da Pisa seine Erlebnisse und Erkenntnisse, die dieser in alt[[französisch]]er Sprache niederschrieb. Diese Fassung wurde im Laufe der Zeit mehrfach abgeschrieben, übersetzt und bearbeitet, ist heute aber leider verloren. Noch zu Lebzeiten von Marco Polo erschien so eine erste [[latein]]ische Ausgabe (das so genannte Zelada-Manuskript), eventuell mit seiner Mitarbeit. Ebenfalls sehr früh ist eine franko-italienische Handschrift. Eine weitere lateinische Version von Francesco Pipino aus dem 14. Jahrhundert, die stark klerikalen Einschlag verrät und 1485 erstmals gedruckt wurde, nutzte zum Beispiel [[Christoph Kolumbus]] als Reiselektüre. Die einzelnen Fassungen des ''Milione'' unterscheiden sich teilweise stark; häufig treten Kürzungen, Zusätze, wertende Kommentare, Missverständnisse, verschriebene Namen usw. auf.
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Der erste Versuch einer quellenvergleichenden Ausgabe stammt von Giambattista Ramusio aus dem 16. Jahrhundert. Sie beruht auf mehreren älteren Manuskripten (u.a. den beiden erwähnten lateinischen) und diente bis ins 20. Jhd. als Basis für die meisten modernen Übersetzungen; ihre Nähe zum Original ist aber wohl nicht sehr stark. Im 19. Jahrhundert begann man damit, die Marco-Polo-Forschung wirklich auf kritisch-editorische Grundlagen zu stellen; den Anfang machte 1824 die frisch gegründete französische ''[http://de.wikipedia.org/wiki/Soci%C3%A9t%C3%A9_de_G%C3%A9ographie Société de Géographie]'' mit dem Nachdruck der frühen franko-italienischen Handschrift. Die erste bedeutende, kommentierte Übersetzung stammt von [http://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Yule Henry Yule] aus dem Jahre 1866 (''The Book of Ser Marco Polo''); die überarbeitete Ausgabe von 1903 mit den zusätzlichen Kommentaren von Henry Cordier von 1920 ist heute noch lesenswert und erhellend.
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Der erste Versuch einer quellenvergleichenden Ausgabe stammt von Giambattista Ramusio aus dem 16. Jahrhundert. Sie beruht auf mehreren älteren Manuskripten (u.a. den beiden erwähnten lateinischen) und diente bis ins 20. Jhd. als Basis für die meisten modernen Übersetzungen; ihre Nähe zum Original ist aber wohl nicht sehr stark. Im 19. Jahrhundert begann man damit, die Marco-Polo-Forschung wirklich auf kritisch-editorische Grundlagen zu stellen; den Anfang machte 1824 die frisch gegründete französische ''[http://de.wikipedia.org/wiki/Soci%C3%A9t%C3%A9_de_G%C3%A9ographie Société de Géographie]'' mit dem Nachdruck der frühen franko-italienischen Handschrift. Die erste bedeutende, kommentierte Übersetzung stammt von [http://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Yule Henry Yule] aus dem Jahre 1866 (''Cathay and the Way Thither'' - "Kathay und der Weg dahin"); die überarbeitete Ausgabe von 1913-1916 mit den zusätzlichen Kommentaren von Henry Cordier ist heute noch lesenswert und erhellend.
Im Jahre 1928 schließlich erschien die bis heute maßgebliche Edition. Luigi Foscolo Benedetto nutzte als Grundlage die franko-italienische Handschrift und das lateinische Zelada-Manuskript und konnte sich damit so weit wie möglich dem Original nähern.
Im Jahre 1928 schließlich erschien die bis heute maßgebliche Edition. Luigi Foscolo Benedetto nutzte als Grundlage die franko-italienische Handschrift und das lateinische Zelada-Manuskript und konnte sich damit so weit wie möglich dem Original nähern.
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=== Deutsche Übersetzungen ===
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== Deutsche Übersetzungen ==
Es gab bisher - abgesehen von den spätmittelalterlichen Handschriften - vier moderne Übersetzungen des ''Milione'' ins Deutsche. Den Anfang machte 1802 Felix Peregrin mit ''Marco Paolo's Reise in den Orient, während der Jahre 1272 bis 1295'', worin er einen zweiten Band mit Kommentar und Quellennachweisen ankündigt, der wohl aber nie erschienen ist; die Übersetzung blieb auch ohne größeren Nachhall. Im Jahre 1845 folgten August Bürck und Karl Friedrich Neumann mit ihren ''Reisen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert'', die sich aber noch nicht auf die ersten modernen Editionen stützten, sondern im wesentlichen auf Ramusio basierten. Im Jahre 1906 besorgte Hans Lemke eine erweiterte Neuausgabe der Bürck'schen Übersetzung, in die er u.a. die Edition der franko-italienischen Handschrift und die Ergebnisse von Yule einfließen ließ. Auch das gerade - 1902 - ins Englische übersetzte Werk von Pedro Teixeira (siehe dazu den Artikel [[Ormuz]]) war ihm bekannt.
Es gab bisher - abgesehen von den spätmittelalterlichen Handschriften - vier moderne Übersetzungen des ''Milione'' ins Deutsche. Den Anfang machte 1802 Felix Peregrin mit ''Marco Paolo's Reise in den Orient, während der Jahre 1272 bis 1295'', worin er einen zweiten Band mit Kommentar und Quellennachweisen ankündigt, der wohl aber nie erschienen ist; die Übersetzung blieb auch ohne größeren Nachhall. Im Jahre 1845 folgten August Bürck und Karl Friedrich Neumann mit ihren ''Reisen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert'', die sich aber noch nicht auf die ersten modernen Editionen stützten, sondern im wesentlichen auf Ramusio basierten. Im Jahre 1906 besorgte Hans Lemke eine erweiterte Neuausgabe der Bürck'schen Übersetzung, in die er u.a. die Edition der franko-italienischen Handschrift und die Ergebnisse von Yule einfließen ließ. Auch das gerade - 1902 - ins Englische übersetzte Werk von Pedro Teixeira (siehe dazu den Artikel [[Ormuz]]) war ihm bekannt.
Im Jahre 1963 folgte Hans Eckart Rübesamen mit seinen ''Reisen des Venezianers Marco Polo'', der aber erneut nur Ramusio nutzte, ergänzt um einige Passagen aus der franko-italienischen Handschrift. Im Jahre 1983 schließlich erschien die erste deutsche Übersetzung auf Grundlage der kritischen Edition von Benedetto 1928. Sie wurde von Elise Guignard besorgt, leider aber nur recht spärlich kommentiert.
Im Jahre 1963 folgte Hans Eckart Rübesamen mit seinen ''Reisen des Venezianers Marco Polo'', der aber erneut nur Ramusio nutzte, ergänzt um einige Passagen aus der franko-italienischen Handschrift. Im Jahre 1983 schließlich erschien die erste deutsche Übersetzung auf Grundlage der kritischen Edition von Benedetto 1928. Sie wurde von Elise Guignard besorgt, leider aber nur recht spärlich kommentiert.
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=== Eigenarten des ''Milione'' ===
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== Eigenarten des ''Milione'' ==
Der ''Milione'' ist keine direkte Reisebeschreibung. Marco Polo scheint im Kopfe seine Reise von Venedig nach [[Kambaluk]] und zurück nachvollzogen und Rusticiano in loser Folge seine Erinnerungen diktiert zu haben. Es gibt viele Exkurse zu Orten und Ereignissen, die nicht zwangsläufig auf der Reiseroute der drei Polos gelegen haben müssen; sehr oft ist es schwer zu erkennen, ob die Polos einen bestimmten Ort wirklich besucht haben oder ob Marco nur schildert, was er darüber gehört hat (hinzu kommt, dass bei einigen Stellen nicht sicher ist, was wirklich von Marco und was von Rusticiano stammt). Auch lassen sich viele Stationen, vor allem in [[China]], nur mit Mühe in eine durchgängige Route "pressen", was vor allem daran liegen mag, dass Marco hier als Beauftragter des [[Kublai Chan]]s jahrelang kreuz und quer durchs Land gereist ist.
Der ''Milione'' ist keine direkte Reisebeschreibung. Marco Polo scheint im Kopfe seine Reise von Venedig nach [[Kambaluk]] und zurück nachvollzogen und Rusticiano in loser Folge seine Erinnerungen diktiert zu haben. Es gibt viele Exkurse zu Orten und Ereignissen, die nicht zwangsläufig auf der Reiseroute der drei Polos gelegen haben müssen; sehr oft ist es schwer zu erkennen, ob die Polos einen bestimmten Ort wirklich besucht haben oder ob Marco nur schildert, was er darüber gehört hat (hinzu kommt, dass bei einigen Stellen nicht sicher ist, was wirklich von Marco und was von Rusticiano stammt). Auch lassen sich viele Stationen, vor allem in [[China]], nur mit Mühe in eine durchgängige Route "pressen", was vor allem daran liegen mag, dass Marco hier als Beauftragter des [[Kublai Chan]]s jahrelang kreuz und quer durchs Land gereist ist.
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In früheren Ausgaben des ''Milione'' (und in der Sekundärliteratur, die sich nur auf diese stützt) ist so z.B. oft von Stationen in [[Bagdad]] und [[Alamut]] die Rede, weil beiden Orten im ''Milione'' eigene Abschnitte gewidmet sind; davon ist man mittlerweile abgerückt. Heutzutage geht man davon aus, dass die Polos von [http://de.wikipedia.org/wiki/Ayas_%28T%C3%BCrkei%29 Ayas] (auch ''Layas'' u.ä.) an der [[Kilikien|kilikischen]] Küste über [[Täbris]], Yazd und [[Kerman]] nach [[Hormuz]] reisten, um sich dort nach China einzuschiffen. Sie änderten ihren Plan jedoch, kehrten nach Kerman zurück und wandten sich von dort Richtung Nordosten. Über [http://de.wikipedia.org/wiki/Balch Balch] und die Dsungarei kamen sie dann auf der [[Seidenstraße]] nach China. Auf dem Rückweg per Schiff segelten die Polos um China herum, berührten [[Sumatra]] (im ''Milione'' "Klein-Java" genannt), besuchten [[Ceylon]] und [[Indien]] und erreichten schließlich wieder Hormuz. Von dort ging es wohl erst nach Täbris zum [[Ilchan]] Gaiḫātū, dann über [[Teheran|Rayy]] nach Khorasan zum Prinzen [[Gazan]], danach über Täbris nach [[Trapezunt]] ans [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]] und vorn dort per Schiff zurück nach [[Venedig]].
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In früheren Ausgaben des ''Milione'' (und in der Sekundärliteratur, die sich nur auf diese stützt) ist so z.B. oft von Stationen in [[Bagdad]] und [[Alamut]] die Rede, weil beiden Orten im ''Milione'' eigene Abschnitte gewidmet sind; davon ist man mittlerweile abgerückt. Heutzutage geht man davon aus, dass die Polos von [http://de.wikipedia.org/wiki/Ayas_%28T%C3%BCrkei%29 Ayas] (auch ''Layas'' u.ä.) an der [[Kilikien|kilikischen]] Küste über [[Täbris]], Yazd und [[Kerman]] nach [[Hormuz]] reisten, um sich dort nach China einzuschiffen. Sie änderten ihren Plan jedoch, kehrten nach Kerman zurück und wandten sich von dort Richtung Nordosten. Über [http://de.wikipedia.org/wiki/Balch Balch] und die Dsungarei kamen sie dann auf der Seidenstraße nach China. Auf dem Rückweg per Schiff segelten die Polos um China herum, berührten [[Sumatra]] (im ''Milione'' "Klein-Java" genannt), besuchten Ceylon und [[Indien]] und erreichten schließlich wieder Hormuz. Von dort ging es wohl erst nach Täbris zum [[Ilchan]] Gaiḫātū, dann über [[Teheran|Rayy]] nach Khorasan zum Prinzen [[Gazan]], danach über Täbris nach [[Trapezunt]] ans [[Schwarzes Meer|Schwarze Meer]] und vorn dort per Schiff zurück nach [[Venedig]].
== Quelle für Meinck, aber auch für das MOSAIK? ==
== Quelle für Meinck, aber auch für das MOSAIK? ==
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=== Einführende Bemerkungen ===
 
Im Jahre 1955 veröffentlichte [[Willi Meinck]] seinen Roman ''[[Marco-Polo-Romane|Die seltsamen Abenteuer des Marco Polo]]'', dem er 1957 den zweiten Band ''[[Marco-Polo-Romane|Die seltsamen Reisen des Marco Polo]]'' folgen ließ. Als Grundlage stand ihm die deutsche Übersetzung des ''Milione'' durch Bürck zur Verfügung, vermutlich in der erweiterten Fassung von Lemke.  
Im Jahre 1955 veröffentlichte [[Willi Meinck]] seinen Roman ''[[Marco-Polo-Romane|Die seltsamen Abenteuer des Marco Polo]]'', dem er 1957 den zweiten Band ''[[Marco-Polo-Romane|Die seltsamen Reisen des Marco Polo]]'' folgen ließ. Als Grundlage stand ihm die deutsche Übersetzung des ''Milione'' durch Bürck zur Verfügung, vermutlich in der erweiterten Fassung von Lemke.  
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Die MOSAIK-Macher haben sich die meisten Inspirationen bezüglich Marco Polo höchstwahrscheinlich bei Meinck geholt. An manchen Stellen gehen ihre Informationen darüber hinaus - so z.B. bei der Erwähnung des Scheichs [[Behaeddin Ajas Seifin]] oder bei der irrigen Bezeichnung von [[Kaiser Balduin II.]] von [[Konstantinopel]] als "von [[Flandern]]" -, oder weichen davon ab - so z.B. bei den Schreibweisen ''[[Ormuz]]'' und ''[[Kerman]]'' (bei Meinck: ''Ormus'' bzw. ''Kierman''), den Namen der beiden älteren Polos (im MOSAIK ''Nicolò'' und ''Matteo'', bei Meinck ''Nicolo'' und ''Maffio'') oder dem Namen der Prinzessin. Diese zusätzlichen und abweichenden Angaben im MOSAIK könnten teilweise, aber sicher nicht sämtlich auf einer der genannten deutschen Übersetzungen des ''Milione'' beruhen. So findet sich die fälschliche Bezeichnung des letzten Kaisers des [[Lateinisches Kaiserreich|Lateinischen Kaiserreichs]] als "von Flandern" zwar auch bei Bürck/Neumann und Lemke (in den Fußnoten), nicht aber der Name des Scheichs Bahā' ad-Dīn Āyāz Saifīn (in welcher Schreibweise auch immer); zudem wird Hormuz nie so geschrieben wie im MOSAIK - Bürck/Neumann und Lemke bieten ''Ormus'' oder ''Hormus'', Rübesamen nur ''Ormus''. Darüberhinaus ist in allen genannten Übersetzungen Hormuz eine Insel, was auf eine "Verschlimmbesserung" bei Ramusio zurückgeht; Meinck übernimmt das, nicht aber das MOSAIK. Schließlich folgt das MOSAIK auch nicht der traditionell erschlossenen Reiseroute via Bagdad (wie noch Meinck), sondern zeigt hier seine Eigenständigigkeit.  
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Die MOSAIK-Macher haben sich die meisten Inspirationen bezüglich Marco Polo höchstwahrscheinlich bei Meinck geholt. An manchen Stellen gehen ihre Informationen darüber hinaus - so z.B. bei der Erwähnung des Scheichs [[Behaeddin Ajas Seifin]] oder bei der irrigen Bezeichnung von [[Kaiser Balduin II.]] von [[Konstantinopel]] als "von [[Flandern]]" -, oder weichen davon ab - so z.B. bei den Schreibweisen ''[[Ormuz]]'' und ''[[Kerman]]'' (bei Meinck: ''Ormus'' bzw. ''Kierman'') oder den Namen der beiden älteren Polos (im MOSAIK ''Nicolò'' und ''Matteo'', bei Meinck ''Nicolo'' und ''Maffio''). Diese zusätzlichen und abweichenden Angaben im MOSAIK könnten teilweise, aber sicher nicht sämtlich auf einer der genannten deutschen Übersetzungen des ''Milione'' beruhen. So findet sich die fälschliche Bezeichnung des letzten Kaisers des [[lateinisches Kaiserreich|Lateinischen Kaiserreichs]] als "von Flandern" zwar auch bei Bürck/Neumann und Lemke (in den Fußnoten), nicht aber der Name des Scheichs Bahā' ad-Dīn Āyāz Saifīn (in welcher Schreibweise auch immer); zudem wird Hormuz nie so geschrieben wie im MOSAIK - Bürck/Neumann und Lemke bieten ''Ormus'' oder ''Hormus'', Rübesamen nur ''Ormus''. Darüberhinaus ist in allen genannten Übersetzungen Hormuz eine Insel, was auf eine "Verschlimmbesserung" bei Ramusio zurückgeht; Meinck übernimmt das, nicht aber das MOSAIK. Schließlich folgt das MOSAIK auch nicht der traditionell erschlossenen Reiseroute via Bagdad (wie noch Meinck), sondern zeigt hier seine Eigenständigigkeit.  
Die Nutzung des Namens ''Behaeddin Ajas Seifin'' und die Schreibweise ''Ormuz'' dürften daher auf eine andere Quelle zurückgehen. Möglicherweise handelt es sich dabei um Wilhelm Heyds ''Geschichte des Levantehandels im Mittelalter'' von 1879, denn dort finden sich diese beiden Schreibweisen genau wie im MOSAIK. Alternativ könnte die unmittelbare Quelle für's MOSAIK z.B. eine noch unbekannte Darstellung des Perlenhandels und -fischens im Persichen Golf sein, die wiederum auf Heyd beruht.
Die Nutzung des Namens ''Behaeddin Ajas Seifin'' und die Schreibweise ''Ormuz'' dürften daher auf eine andere Quelle zurückgehen. Möglicherweise handelt es sich dabei um Wilhelm Heyds ''Geschichte des Levantehandels im Mittelalter'' von 1879, denn dort finden sich diese beiden Schreibweisen genau wie im MOSAIK. Alternativ könnte die unmittelbare Quelle für's MOSAIK z.B. eine noch unbekannte Darstellung des Perlenhandels und -fischens im Persichen Golf sein, die wiederum auf Heyd beruht.
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Ebenfalls noch nicht gefunden ist die Quelle für die Schreibung des Namens der Prinzessin, die die Polos auf ihrer Heimreise nach [[Persien]] begleiteten - im MOSAIK [[Cocatschin]]. Meinck bietet hier irrig einen völlig anderen Namen, und die drei ''Milione''-Übersetzungen haben "Kogatin"; dies ist zwar derselbe Name wie im MOSAIK, aber in erkennbar anderer Schreibweise. Hinzu kommt, dass Cocatschin im MOSAIK als Tochter [[Kublai Chan]]s gilt, was ihr historisches Vorbild nicht war.
 
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=== Motivvergleich ===
 
Im Folgenden wird eine Übersicht der einzelnen Motive aus dem ''Milione'' geboten, wie sie sich in den verschiedenen Übersetzungen, bei Meinck und im MOSAIK finden.
Im Folgenden wird eine Übersicht der einzelnen Motive aus dem ''Milione'' geboten, wie sie sich in den verschiedenen Übersetzungen, bei Meinck und im MOSAIK finden.
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| S. 5<br>(Einl.) || "Im Jahre 1260"
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| rowspan="2" | Bd. I<br>S. 9 || rowspan="2" | "Nach Byzanz [...] im Jahre 1250 gereist und fünf Jahre später, wie ein Freund des Hauses berichtete, zu einer abenteuerlichen Fahrt nach dem Mongolenreich aufgebrochen."
| rowspan="2" | Bd. I<br>S. 9 || rowspan="2" | "Nach Byzanz [...] im Jahre 1250 gereist und fünf Jahre später, wie ein Freund des Hauses berichtete, zu einer abenteuerlichen Fahrt nach dem Mongolenreich aufgebrochen."
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| rowspan="2" | [[98]] || rowspan="2" | "So verschlug's mich an den Hof Balduins von [[Flandern]], der damals Kaiser von Byzanz war."
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| rowspan="2" | [[98]] || rowspan="2" | "So verschlug's mich an den Hof Balduins von Flandern, der damals Kaiser von Byzanz war."
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| S. 31 || "[...] zu der Zeit, als Balduin II. Kaiser war von Konstantinopel [...] im Jahre 1250 unseres Herrn"
| S. 31 || "[...] zu der Zeit, als Balduin II. Kaiser war von Konstantinopel [...] im Jahre 1250 unseres Herrn"
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| S. 17 || "Auch ließ er ihnen eine goldene Tafel aushändigen, auf welcher das kaiserliche Zeichen eingegraben war, gemäß dem Gebrauch, den er eingeführt hatte: Wer diese Tafel mit sich führt, wird mit seinem ganzen Gefolge von den Gouverneuren aller Plätze in den kaiserlichen Ländern sicher von Station zu Station geleitet und ist jederzeit berechtigt, Lebensmittel und andere Dinge, die er zu seiner Bequemlichkeit braucht, zu fordern."
| S. 17 || "Auch ließ er ihnen eine goldene Tafel aushändigen, auf welcher das kaiserliche Zeichen eingegraben war, gemäß dem Gebrauch, den er eingeführt hatte: Wer diese Tafel mit sich führt, wird mit seinem ganzen Gefolge von den Gouverneuren aller Plätze in den kaiserlichen Ländern sicher von Station zu Station geleitet und ist jederzeit berechtigt, Lebensmittel und andere Dinge, die er zu seiner Bequemlichkeit braucht, zu fordern."
| Bd. I<br>S. 267 || "Die goldene Tafel trug das Zeichen des mächtigen Großkhans und war den beiden Reisenden als Geleitbrief überreicht worden. Diese Tafel hatte sie in den tatarischen Reichen geschützt. Jeder Statthalter war verpfllichtet gewesen, sie auf ihrer Reise zu unterstützen, ihnen Diener und Soldaten beizugeben, Kamele und Maultiere zur Verfügung zu stellen und sie in jeder Weise zu fördern."
| Bd. I<br>S. 267 || "Die goldene Tafel trug das Zeichen des mächtigen Großkhans und war den beiden Reisenden als Geleitbrief überreicht worden. Diese Tafel hatte sie in den tatarischen Reichen geschützt. Jeder Statthalter war verpfllichtet gewesen, sie auf ihrer Reise zu unterstützen, ihnen Diener und Soldaten beizugeben, Kamele und Maultiere zur Verfügung zu stellen und sie in jeder Weise zu fördern."
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| [[141]] || "Oho, das ist eine [[Goldtafel mit dem Geheimsiegel Kublai Khans|Goldplatte mit dem Geheimsiegel Kublai Chans]]! Da schickt er mir ja einen ganz hohen Würdenträger! In diesem Fall muß ich das Siegel küssen - was tut man nicht alles dem mächtigen Chan zuliebe, damit er einen in Frieden läßt."
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| [[141]] || "Oho, das ist eine Goldplatte mit dem Geheimsiegel Kublai Chans! Da schickt er mir ja einen ganz hohen Würdenträger! In diesem Fall muß ich das Siegel küssen - was tut man nicht alles dem mächtigen Chan zuliebe, damit er einen in Frieden läßt."
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| bgcolor="#FFFFE0" | Name der Prinzessin
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=== Ergebnis ===
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Aus der Übersicht erkennt man, dass tatsächlich die meisten Angaben zu Marco Polo und seinem Umfeld, die man im MOSAIK - wie auch immer verfremdet - findet, auf Meinck beruhen dürften. In den Fällen, da das MOSAIK von Meinck abweicht, kommt am ehesten die ''Milione''-Übersetzung von Lemke als zusätzliche Quelle in Frage (irrtümliche Erwähnung von [[Flandern]], Alternativschreibweise ''Matteo'' statt ''Maffio''). Rübesamen hingegen hat als einziger auch das Datum 1260 für den Beginn der ersten Reise der beiden älteren Polos, aber das dürfte wohl nicht ausreichen, um diese Übersetzung als MOSAIK-Quelle festzumachen. Erstens kann dieses Datum auch leicht aus einer anderen, noch unbekannten Quelle stammen, und zweitens würde eine alleinige Nutzung von Rübesamen die anderen MOSAIK-Meinck-Unterschiede nicht erklären.
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Falls das MOSAIK also neben Meinck auch eine Ausgabe des ''Milione'' benutzt hat, dann die von Lemke 1906. Unbeschadet davon fehlt aber noch mindestens eine weitere Quelle, umd die ganzen anderen Zusatz- und abweichenden Informationen im MOSAIK zu erklären (vor allem [[Behaeddin Ajas Seifin]] und [[Cocatschin]]).
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{{Recherche|Tilberg}}
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[[Kategorie:Runkel-Serie (Quelle)]]
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[[Kategorie:Quelle (Sachbuch)]]
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[[Kategorie:Die größten Abenteurer dieser Welt (Schriftgut)]]
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[[Kategorie:Geschichtsbuch]]
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